A - Die Bauten

Die hier genannten Projekte, Bauten, Studien und Planungen sind ein Auszug aus den Arbeiten des Atelier 5. Sie sind als Leitbeispiele massgebend für die Entwicklung der Architektur des Büros.

B - Die Arbeit

Die Geschichte der Arbeit des Atelier 5 ist eine ­Geschichte der Ideen und Überzeugungen des Büros. Wie jede Geschichte steht sie immer in einem zeitlichen Kontext und ist entsprechend beeinflusst.

C - Das Atelier

Wie jede Geschichte ist die Geschichte des Atelier 5 eine Geschich­te von Leuten, hier der Gruppe, und eine Geschichte ­ihrer Entscheidungen und deren Folgen.
 

1955–1962 Atelier 5

A - Der Anfang

1955 wird das Atelier 5 von fünf jungen Architekten, Erwin Fritz, Samuel Gerber, Rolf Hesterberg, Hans Hostettler und Alfredo Pini gegründet. Vier der fünf arbeiten bei Hans Brechbühler, der in den dreissiger Jahren Mitarbeiter von Le Corbusier gewesen war. Hier entstehen die ersten Skizzen der Siedlung Halen und der Plan, ein eigenes Büro zu gründen. 1956 zieht das Atelier 5 in die alte Ryff-Fabrik an der Sandrainstrasse 3 in Bern. Der Ort, an dem es sich heute immer noch befindet. Die ersten Projekte werden realisiert, darunter das ­Einfamilienhaus ­Steinmann in Aarburg, das Atelierhaus Alder in ­Rothrist und das Reihenhaus Flamatt 1. Dieses bildet den Testlauf für die Häuser in der Halensiedlung. Den Architekten gelingt es, Halen 1956 mit der Hilfe von Ernst Göhner zu finanzieren. In den folgenden Jahren beherrschen die Ausführungsplanung und die Realisierung der Siedlung Halen das Atelier. ­Daneben plant das Büro das Haus Merz in Môtier, das Haus Dorta in ­Zofingen und die Reihenhäuser Flamatt 2, die «Nachläufer» der Halensiedlung.

B - Das Erbe Le Corbusiers

Der architektonische und städtebauliche Ausgangspunkt für Halen liegt in Le Corbusiers Pro­jekten für «Rob et Roc – Cap Martin» sowie der ­Berner Altstadt. Gesellschaftlich ist die Siedlung – bis heute – eine Kritik am «amerikanischen Traum» vom Einzelhaus. Halen ist das Muster einer städtischen Haltung, die auf der Figur des öffentlichen Raumes beruht, für welche die Häuser selber Rahmen und Hintergrund bilden. Diese Siedlung wird für das Atelier 5 zum Lehrstück und zur Leitlinie. Es schält sich in ihr das Prinzip des «Ensembles» heraus, bestimmt durch das Zusammenspiel von öffentlichem Raum und privatem Territorium. Auch das Atelierhaus Alder und das Reihenhaus Flamatt 1 sind Le Corbusier verpflichtet. Gleichzeitig sind es eigenständige Experimentierhäuser. Flamatt 1 ist als ein Beton-Haus konzipiert, von den Tragwänden über die Innenwände bis zur Küchenkombination. Das Haus Merz ist neben dem Haus Alder das reinste corbusieranische Haus des Atelier 5. Beide Häuser sind Lehrstücke in Plan und Schnitt. Die Reihenhäuser Flamatt 2 schliesslich reflektieren die Kritik der eigenen Arbeit in Halen.

C - Die Gründerjahre

Rolf Hesterberg, Erwin Fritz und Hans Hostettler hatten das Technikum Burgdorf beendet und arbeiteten darauf kurz bei André Sive in Paris. Alfredo Pini und Samuel Gerber studierten am Technikum in Biel. Samuel Gerber fuhr darauf zu Burle Marx nach Brasilien. Pini reiste zu Le Corbusier, der aber keine Stelle offen hatte und ihm empfahl im Büro von Hans Brechbühler anzufragen. Dort traf er auf Rolf Hesterberg, Hans Hostettler und Erwin Fritz. Pini war Brechbühlers «Liebling», Hesterberg der Bürochef, Fritz und Hostettler die Praktiker. Hier beginnt für die jungen Architekten ein enger Kontakt mit der Berner Kunstszene und dem Kunsthistoriker Paul Hofer, der an der Universität Vorlesungen über die Stadt Bern hielt und sich mit der modernen Architektur auseinandersetzte. Hans Brechbühler hatte in dieser Zeit wenig zu tun. Aus diesem Grund begannen seine Angestellten, eigene Wettbewerbe zu zeichnen und darüber nachzudenken, sich selbstständig zu machen. Sie suchten Land mit der Vorstellung für sich selber Häuser zu bauen. Dabei trafen sie auf die Waldlichtung Halen. Die Vorstellung eigener Häuser verblasste, es sollte mehr werden. Das Projekt der Halensiedlung nahm Form an. 1955 ist Samuel Gerber aus Brasilien zurückgekehrt. Das Atelier 5 wurde gegründet. Der Jüngste der Fünf war damals 23, der älteste keine 30 Jahre alt. 1956 kommt Niklaus ­Morgenthaler, 1959 Fritz Thormann dazu. Damit ist die Mannschaft vollständig.
Die ersten Jahre sind von der Arbeit an «­Halen» bestimmt. Zusammen mit dem gemeinsamen Vorbild Le Corbusier schafft dieses Projekt den Zusammenhalt der Gruppe. Ein grosser Teil der Partner und Angestellten ist unverheiratet. Partner und Angestellte haben über das Büro hinaus engen Kontakt untereinander. Die Altersunterschiede sind klein und die gesellschaftlichen Berührungspunkte gross. Es ist eine fast reine Männergesellschaft. Das Büro ist das Zuhause. Samuel Gerber sowie Niklaus ­Morgenthaler und seine Familie wohnen direkt ­neben dem Atelier. Es ist die Zeit der Feste, wo Samstag nach Wirtshausschluss das «Künstler-Bern» die Morgenthaler-Wohnung stürmt und bis spät in der Nacht die Festung hält.
Unvergesslich bleibt die Hochzeit von Fritz und Esther Thormann in der Ryff-Fabrik. Ein Zigarettenstummel setzt die am Gebäude gestapelten Alt­papierbündel im Flammen. Der chaotische Löscheinsatz der bereits angeheiterten Gäste, die durch die herbeigeeilte Feuerwehr glücklicherweise ersetzt werden, macht die Runde nur durstiger und lustiger. Ein Versuch der Polizei die Lage zu klären, geht im Hallo des Empfangs unter, woraufhin die Ordnungs­hüter achsel­zuckend die Szene verlassen und dem Fest die Nacht und den Morgen überlassen.
Die nächsten Partner im Atelier 5 sind 1959 bereits Teil des Büros. Christiane Heimgartner hatte die Bauzeichnerlehre bei Hans Brechbühler absolviert, Francesco Tomarkin arbeitete für Niklaus ­Morgenthaler. Denis Roy war Student in Lausanne. Er gibt das Studium auf und bleibt im Atelier. Zu Beginn des Jahres 1958 tritt Jacques Blumer als Praktikant ins Büro ein. Aus Karlsruhe, wo er Architektur studiert hat, kommt Ralph Gentner. Ende 1958 ­ergänzen Anatole Dufresne und Bernard Stebler die Gruppe.
 

1962–1968 Die Konsolidierung

A - Eine Atempause

Mit der Fertigstellung der Halensiedlung 1962 geht das Arbeitsvolumen zurück und die Belegschaft wird kleiner. Folgeaufträge in der Schweiz bleiben aus. Die Aufträge kommen weiterhin durch persönliche Beziehungen der Partner. Eine Reihe von Mehrfamilienhäusern wird geplant und gebaut: das Haus Brandt in Biel, das Mehrfamilien­haus Urtenen, das Geschäfts- und Wohnhaus an der Morillon­strasse in Bern. Dazu entstehen einige Einfamilien­häuser: das Haus Citron in Carona, das Haus Brossi in ­Gerlafingen, das Haus Möhl in ­Kerzers sowie das Holzhaus Fritz in Adelboden.
Mit den Wettbewerbseinladungen für die Ingenieurschule Biberach, die Quartierentwürfe Wertherberg und Berlin-Ruhwald sowie die Planung für ­Stein­hagen fasst das Atelier 5 ab 1964 in Deutschland Fuss. 1967 werden die Bebauungen Werther und Steinhagen realisiert. Das Haus ­Morgenthaler in Stintino ist, abgesehen vom Hause Citron in Carona, der erste Bau südlich der Alpen. Die Auftragslage in der Schweiz bleibt bescheiden, das Büro schrumpft bis auf die Partner und den Grundstamm der Angestellten, die künftigen neuen Partner.

B - Der Beginn einer eigenen Sprache

Die gemeinsame Basis der ersten Zeit ist das Projekt Halen und als Referenz gelten die Arbeiten Le ­Corbusiers. Wenn der Respekt dem Meister gegenüber auch weiterhin erhalten bleibt, so geht es nun immer weniger um formale Aspekte als vielmehr um eine Grundhaltung, die für die Aufgabe und aus der Aufgabe lebt. Es ist eine Haltung, die für die Bedürfnisse und aus den Bedürfnissen Lösungen sucht und dabei die baulichen Möglichkeiten der eigenen Zeit ausschöpft. Die praktische Arbeit an der Siedlung Halen führt zu einem besonderen Interesse am Bauprozess, an der Materialverwendung und an neuen Konstruktionen. Wichtig wird die Überprüfung des Gebauten, die Kritik an der eigenen Arbeit.
Das Mehrfamilienhaus Urtenen sowie das Wohnhaus an der Morillonstrasse in Bern thematisieren den Geschosswohnungsbau. In beiden Fällen geht es um die Überwindung der additiven Raumsequenz, die den gängigen Geschosswohnungsbau dominiert. Gesucht wird die fliessende Raumfolge.
Das Thema der Raumsequenz, der «promenade architecturale», ist bei den Häusern Carona und Möhl und besonders beim Haus Brossi evident. Das Haus Morillonstrasse experimentiert mit verschiebbaren Raumelementen und der daraus folgenden Raumaufteilung. Beim Haus Fritz in Adelboden wird der Holzbau konsequent angewendet und in Sardinien das traditionelle mediterrane Hofhaus neu interpretiert. Die Entwürfe für Wertherberg und Steinhagen sowie Berlin Ruhwald sind städtebauliches Neuland. Bewusst wird nun der von aussen kommende Einfluss wahrgenommen. Der Kongress von Otterloo öffnete damals neue Post-CIAM Wege. Die massgebenden Namen waren: Aldo van Eyck, P. und A. Smithson, Van den Boek und Bakema, sowie Woods Candilis und Josic.

C - Die Zusammenarbeit nimmt Form an

In dieser Zeit schälen sich die Arbeitsweise und das gesellschaftliche Verhalten des Büros heraus. Die Gleichheit der Teilhaber ist das Büroprinzip. Das äussert sich zum einen in der gleichen Beteiligung, im grundsätzlich gleichen Lohn und der gleichen Haftung. Zum anderen in der gleichen Position in der Arbeit. Die unterschiedlichen Arbeitsbereiche werden als gleichwertig angesehen und manifestieren sich nicht in äusseren Zeichen. Überstunden werden nicht vergütet. Eine vorgeschriebene Arbeitszeit existiert nicht. Die ersten Angestellten werden zu niedrigen Löhnen engagiert, wobei sich die Löhne aber nicht wesentlich von denjenigen der Partner unterscheiden. In einer flachen Hierarchie werden Teams aus Partnern und Angestellten gebildet. Die Arbeiten werden laufend in Partnersitzungen diskutiert. Dort werden auch die gesamten geschäftlichen Belange behandelt. Teilaufgaben werden ad hoc formuliert und an Einzelne oder Gruppen übertragen.
Das künstlerische Umfeld in dieser Zeit wird in Bern von Namen wie Kornfeld, Hahnloser, Ida Meyer und Meret Oppenheim geprägt. Dazu kommen die jungen Künstler: «Pips» Vögeli, Bernhard Luginbühl, Franz Fedier, Rolf Iseli, Lilly Keller und die Fotografen Winkler, Rausser und Bezzola. Das Restaurant Commerce und der Keller Junkerngasse sind Treffpunkte der Szene. Ende der 60er Jahre verlassen drei der ursprünglichen Partner das Büro. Niklaus ­Morgenthaler wird Professor an der University of Illinois in Chicago. Erwin Fritz nimmt eine leitende Stelle im neuen Planungsamt des Kantons Bern ein und Samuel Gerber unterbricht seine Arbeit als Architekt, um sich dem Klavierspielen zu widmen.
1968 werden Anatole du Fresne, Ralph Gentner, Christiane Heimgartner, Denis Roy und Bernhard Stebler Partner. Dazu kommen Anfang der 70er Jahre Jaques Blumer, Christian Flückiger und Pierluigi Lanini.
 

1968–1975 Der Aufbruch

A - Grosse Aufträge und eine Planungsabteilung

Das Atelier 5 wird international bekannt. 1969 kommt die Einladung zum Uno-Wettbewerb in Lima Peru. Das städtebauliche Konzept des Atelier 5 obsiegt. Mit Lima ist für das Büro eine neue Phase angebrochen. Hervorgegangen aus einem Gutachterverfahren entstehen in Vaihingen die Studentenheime und die Mensa der Universität Stuttgart. Sie sind die ersten grossen Projekte des Büros ausserhalb des Arbeitsfelds Wohnungsbau. In der Schweiz werden jetzt wieder Siedlungen gebaut: die Bebauung Rainpark Brügg und die Siedlung Thalmatt 1. Etwas später folgt, als sozialer Wohnungsbau, die Lorraine in Burgdorf. Eine besondere Realisierung stellt die Bebauung im Berner Villenquartier Brunnadern dar. Es sind dies Stadtvillen wie dieser Gebäudetypus heute genannt wird. Als Prototyp ist auch die leider nicht verwirklichte Hangbebauung Bühnenberg zu bezeichnen. In Deutschland entsteht in Solingen die Siedlung Regerstrasse. Und schliesslich dürfen beim Thema Wohnen die Reihenhäuser in Caviano nicht vergessen werden. Von Bedeutung sind in dieser Periode die Wettbewerbserfolge: Dazu gehören die Wettbewerbe für die Nationalbank, für das Amthaus und für das Kunstmuseum, alle in Bern.
Das Atelier 5 wächst beträchtlich, nicht zuletzt der neuen Abteilung für «Raumplanung und Städte­bau» wegen. Diese bringt eine neue Kategorie von Arbeiten ins Büro: Regionalplanungen, Entwicklungskonzepte sowie breite Forschungsarbeiten. Wesentlich wird dabei die interdisziplinäre Zusammenarbeit: Juristen und Ökonomen, Geographen, Soziologen und Verkehrsplaner sind die Partner. Städtebauliche Aufgaben spielen eine wichtige Rolle. So wird unter anderem in den frühen 70er Jahren am Quartierentwurf Ried gearbeitet, aus dem sich in der Folge die Bebauung Ried W2 entwickeln sollte. In Solingen wird das Atelier 5 zum städtebaulichen Wettbewerb für das Zentrum von Solingen-Ohligs eingeladen und erarbeitet am gleichen Ort das Planwerk für den neuen Stadtteil Vockert-Widdert.

B - Die Marke Atelier 5

Das Atelier 5 gehört nun zu den etablierten Büros. Die Halensiedlung ist zum Ziel des Architekturtourismus geworden. Die exemplarischen architektonischen Beispiele dieser Periode sind die Mensa in Vaihingen und das Projekt für den Bühnenberg in Oftringen. Mit den Studentenwohnheimen und der Mensa werden Aufgaben einer neuen Art angegangen und eine adäquate Architektursprache wird gesucht. Der strukturelle Aufbau des Gesamtkonzepts und das Entstehen des Gesamtorganismus aus einer sein Wesen bestimmenden Zelle, ein Herausarbeiten des Ganzen aus dem Inneren, kristalisieren sich als Entwurfsprinzip heraus.
Die Mensa in Vaihingen basiert z.B. auf der Dis­position des Esstisches, die es einer Gruppe von zehn Leuten erlaubt, noch miteinander zu kommunizieren. Diese Einheit definiert das Strukturmass. Dieses wiederum bestimmt die räumliche Ordnungseinheit der Gesamtanlage, welche entsprechend den jeweiligen lokalen Funktionen addiert, durchbrochen und in der Höhe variiert wird. Doch nicht nur bei den beiden grossen Deutschlandaufträgen gewinnt das strukturelle Denken neben der internalisierten «promenade architecturale» weiter an Bedeutung. Beim Bühnenberg ging es darum, an einem steilen Abhang eine grosse Wohnanlage zu entwerfen. Das Ziel war es, alle Häuser über ein zusammenhängendes Fussgängernetz zu erreichen und dieses so anzuordnen, dass eine optimale Aussichtslage gewährleistet wurde. Die Lösung lag in einem Staffelungssystem, das jedem Haus den Blick über das darunterliegende erlaubte, kombiniert mit einer diagonal im Hang verlaufenden Erschliessung, die den Zugang zu den Häusern ohne Treppensteigen garantierte.
Wichtig wird für das Atelier 5 nun auch in der Architektur die Zusammenarbeit mit Sonderfachleuten. Aus der Überzeugung, dass abgesehen von der üblichen technischen Begleitung, die Kompetenz des Architekten in anderen speziellen Fachbereichen nicht ausreicht, wird ein intensiver Kontakt mit dem Grafiker und Künstler Roland Gfeller, dem Fotografen Balthasar Burkhard, dem Designer Hans Eichenberger und dem Lichtspezialisten Christian Bartenbach aufgenommen. Nicht zu vergessen sind auch die beiden Künstler, Remy Zaugg und Niele Torroni.
Denkt man bei der Herausarbeitung der Marke Atelier 5 an Referenzen, so könnten der Spitalentwurf für Venedig von Le Corbusier, der Plan für die Freie Universität in Berlin von Shadrach Woods und die Mensa in Enschede von Piet Bloom herangezogen werden. Das gilt auch für den Entwurf der Architekten Woods Candilis und Josic für Toulouse le Miraille. Beim Wettbewerb ­Ruhwald-Charlottenburg und der Bebauung Rainpark Brügg ist der letztgenannte Einfluss sichtbar.

C - Die Büroform verfestigt sich

Mit den Auslandsaufträgen und Wettbewerbserfolgen der frühen 70er Jahre sowie der Gründung der Abteilung für Raumplanung und Städtebau wächst die Belegschaft des Büros auf 75 Personen. Die Planungsabteilung bezieht eigene Räumlichkeiten in
einem Nebenbau der Fabrik und erhält eine eigene Infrastruktur. Sie kontrolliert die eigenen Geschäfte und erhält eine eigene Abteilungsstruktur. Für das Büro bedeutete die Gründung der Planungsabteilung ein Öffnen nach Aussen und ein Engagement – auch politischer Art – durch einen Teil der Partner. Das Atelier 5 ist in den folgenden Jahren in verschiedenen städtischen Fachkommissionen vertreten. Es nimmt Leitungsfunktionen in den Fachvereinen ein und hat Einsitz in der Redaktionskommission von Werk/Bauen und Wohnen. Alfredo Pini und Denis Roy sind auf der Seite der Architektur engagiert, Fritz Thormann, Rolf Hesterberg und Jacques Blumer auf der Seite der Planungsabteilung. Bürointern äussert sich das erweiterte Interesse im Aufbau einer umfassenden Fachbibliothek und einer breiten Bild-Dokumentation.
Das Wachstum des Büros und die neue Abteilung führen zu einer Formalisierung der Geschäftsstruktur und der Arbeitsweise:
–    Das Gesamtbüro erhält eine Leitung die aus zwei Partnern und einem Geschäftsführer, Christian Flückiger besteht. Dieses «Management» wird auf zwei Jahre gewählt. Daneben wird eine Reihe von Arbeitsgruppen ins Leben gerufen. Verantwortlich für die Arbeitsgruppen sind jeweils ein bis zwei Partner.
–    Projekte werden von immer wieder anders zusammengesetzten Teams bearbeitet. In jedem Team gibt es zwei Partner, von denen einer bis zum Abschluss aller Arbeiten den Auftrag verfolgt. Die Projekte müssen in der Entwurfsphase den Partnern und etwas später dem Gesamtbüro vorgestellt werden. Über den Einfluss einer entsprechenden Kritik entscheidet das Team, welches autonom ist.
–    Formalisiert wird die Entlohnung. Basis bildet eine Lohnkurve, die in Funktion des Alters gebildet wird. Sie verläuft flach in den unteren Jahren steigt dann in den 30er und 40er stark an und flacht weiter oben wieder ab. Diese Kurve gilt für Partner wie Angestellte. Überlagert wird die Kurve mit einem Erfahrungszuschlag. Dabei bewegt sich die Zuschlagschere aber lediglich im Bereich von ca. 10% des Kurvenlohnes.
–    Bestimmt wird weiter der Auftritt des Büros in Publikationen. Wurden bis anhin, insbesondere bei Wettbewerben die Bearbeiter genannt, gilt nun das alleinige Nennrecht «Atelier 5» sowohl für die Projekte und Wettbewerbe als auch für Texte, die für das Büro verfasst werden. So wird es für jeden möglich, aber auch verbindlich, sich mit allen Arbeiten des Ateliers zu identifizieren. Diese Büro- und Arbeitsstruktur bleibt für die nächsten 25 Jahre erhalten.
Das Atelier 5 beginnt unübersichtlich zu werden. Die Grösse der Arbeitsbereiche und die Belastung durch die vielen neuen Aufgaben schaffen Probleme für den Zusammenhalt des Büros. Die beiden Grossaufträge in Deutschland und das Wachstum der Planungsabteilung führen dazu, dass sich selbständige Untergruppen bilden, welche die Projekte, an denen sie arbeiten «privatisieren». Mitte der siebziger Jahre wird, angestossen von der Planungsabteilung, eine Bürozeitung herausgegeben. Das Blatt soll die Tendenz zur Spaltung zwischen Architektur und Planung – die in dem Moment durchaus möglich gewesen wäre – verhindern. Der Versuch Bürozeitung hat allerdings wenig Erfolg und wird nach sechs Nummern aufgegeben.
Im Gegensatz dazu ist das zweitägige Bürofest «20 Jahre Atelier 5» im Sommer 1975 für den Zusammenhalt ein grosser Erfolg. Dieses Ereignis begründete eine eigentliche Festtradition, die mit dem Fest zum 30sten an gleicher Stelle, dem Fest auf dem Gurtenareal zum 40sten im Jahr 2000, dem 50-Jahre-Fest in der Kunsthalle und dem 60-Jahre-Fest in der alten EWB Zentrale an der Aare gefestigt werden. Zudem bringen mehrtägige «Bildungsreisen» und Besuche bei Kollegen das Büro enger zusammen. In den 80er und 90er Jahren die ­Hollandreise zur ­klassischen Moderne und den Kollegen van ­Klingeren und ­Hertzberger, die Parisreise mit den Passagen und dem Centre Pompidou, die Barcelona­reise zu den neuen Plätzen von ­Barcelona, zu Sert, Mirailles und den vielen Bars sowie die London­reise zu den Bauten von Foster und Rogers.
Mit der Realisierung der Siedlung Thalmatt 1 wird die Finanzgesellschaft AFIA (Aktiengesellschaft für Immobilien-Anlagen) ins Leben gerufen. Ein Instrument, mit dessen Hilfe eigene Wohnbauprojekt des Büros realisiert werden sollten und das sich in der Folge und bis heute sehr bewährt hat.

 

1975–1985 Grosse Projekte

A - Öffentliche Bauten und der Städtebau

Das Ende der 70er und der Beginn der 80er Jahre sind von der Realisierung mehrerer öffentlicher Bauten – Gebäuden für ein grosses Publikum – geprägt. Dabei werden besonders die Probleme der natürlichen und künstlichen Beleuchtung sowie neue konstruktive und technische Herausforderungen angegangen. Dazu kommt das Thema des Bauens im historischen Kontext. Es ist eine intensive und stabile Periode im Schaffen des Atelier 5.
Hervorgegangen aus Wettbewerben werden die Nationalbank, das Amthaus Bern, das Kunstmuseum Bern, und das Seminar Thun realisiert. Nicht das Resultat eines Wettbewerbs, aber zur gleichen Gruppe gehörend, ist der Um- und Neubau der Spar- und Leihkasse in Bern. Anfang der 80er Jahre wird der Spitalbau wichtig. Das Regionalspital Schwarzenburg, das Krankenheim Wittikofen und das Altersheim Brügg entstehen. Dabei schlägt das Büro beim Spital Schwarzenburg eigene neue Wege ein. Sie werden in den beiden nachfolgenden Arbeiten weiterverfolgt und verfeinert. Neuer Prototyp im Siedlungsbau wird die Überbauung Thalmatt 2. Auf einem regelmässigen Raumgitter basierend, verzichtet sie einerseits auf den Bodenbezug einer jeden Wohneinheit, schafft andererseits für eine sich ändernde Bewohnerstruktur ein breites, unterschiedliches Wohnungsangebot. 
In der Raumplanung verschiebt sich der Schwerpunkt der Arbeiten auf die Landschaftsplanung. Anliegen ist das räumliche Gestalten der Region aus dem Verständnis der Landschaft. Die Pläne für das Obere Emmental und das Kandertal versuchen solche grossen Massstäbe zu beherrschen. Der Städtebau gewinnt an Bedeutung. Die Entwicklung stadträumlicher Konzepte für die Stadtteile Bümpliz und Bethlehem in Bern sind typische Projekte dieser Periode, die Entwürfe für das Quartier Schöngrün in Bern und die Aarematte in Kirchlindach typische Wettbewerbsbeispiele.

B - Das Experiment und das Besondere 

In dieser Zeit wird das Herausarbeiten des Entwurfs, aus einer seine Struktur bestimmenden Zelle von den Bemühungen, eine prototypische Lösung zu finden, überlagert. Die auf die Besonderheit einer Aufgabe und deren Funktion gerichteten Anstrengungen bewahren das Büro davor, der Mode der postmodernen Architektur zu verfallen. Bei der Nationalbank, dem Amthaus und der Spar- und Leihkasse wird für das Bauen im Kontext mit historischer Substanz eine Grundhaltung entwickelt, die auf einem dialektischen Verhältnis zwischen bestehender Substanz und eigenständigem Neubau beruht. Geistesverwandt, wenn auch zum Teil dem Büro noch gar nicht bekannt, sind dafür die Pinakothek von Döllgast in München sowie die Arbeiten der Architekten Scarpa und Schattner. Mit dem Haus Vaucher in Niederwangen und dem Spital Schwarzenburg beginnt eine Phase der engen Zusammenarbeit mit Christian Bartenbach, dem innovativen Lichtplaner aus Innsbruck. Eine Zusammenarbeit, die zu besonderen technischen und architektonischen Lösungen führt. Das Haus Vaucher in Niederwangen und das technische Gebäude der Psychiatrischen Klinik Münsingen sind zwei typische Beispiele. In der Raumplanung wird die Bemühung um die Formulierung des kollektiven Aussenraumes, der als das wesentliche Element des städtebaulichen Entwurfs betrachtet wird, nicht im Festlegen einer fixen, räumlichen Gestaltung und auch nicht in einer blossen Flächenbestimmung gesehen. Gesucht werden Strukturvorgaben und aus einer genauen Situationsanalyse sich ergebende, volumetrische Leitbilder. Beispielhaft für das Atelier 5 sind hier die Arbeiten von Leonardo Benevolo für Brescia und die Planung von George Baird für das St. Lawrence Quartier in Toronto. War das Atelier 5 bis dahin durch die Fachpresse bekannt geworden, so stellt sich das Büro jetzt mit eigenen Publikationen vor. Der Ammanverlag in Zürich bringt 1984 das erste «Quadratbuch» heraus «Atelier 5 / Siedlungen». Ihm folgt in Zusammenhang mit der Ausstellung zum 30. Geburtstag des Büros das Buch «Atelier 5». Es zeigt die wichtigsten Beiträge seit der Gründung. Als Vorwort dient ein Gespräch mit Hermann Hertzberger. Die Aufnahmen der Bauten stammen von Balthasar Burkhard. Die Ausstellung selber – konzipiert vom Atelier 5 – entsteht in Zusammenarbeit mit dem Fotografen, Möbelentwerfer und Innenarchitekten Hans ­Eichenberger sowie dem Lichtplaner Christian Bartenbach. Zum Bekanntwerden des Atelier 5 trägt sicher auch die Beteiligung an der Organisation des «Bernfestes 1976» sowie die Realisierung der Festlichkeiten für das Kunstmuseum Bern 1978 und 1979 bei.

C - Konzentration und Verjüngung

1980 sind 25 Jahre seit der Gründung des Atelier 5 vergangen. Die Jünglinge von damals sind 50 geworden und müssen sich über die Zukunft des Büros klar werden. Dieses in der bestehenden Form weiterzuführen und irgendwann einmal aufzulösen ist die eine Perspektive. Das Atelier 5 als Ort zu erhalten und dementsprechend einen Verjüngungsprozess mit neuen Partnern durchzuführen, die andere. Nach einer Reihe von mehrtägigen Tagungen war das Ziel, das Atelier 5 als Ort zu erhalten, festgelegt und damit die zweite Partneraufnahme in die Wege geleitet. Die ins Auge gefasste massive Erweiterung des Partnerkreises führt zu zwei Beschlüssen. Das Atelier 5, in dem die Partner bis anhin als einfache Gesellschaft solidarisch haftbar waren, wird in eine AG überführt. Gleichzeitig wird beschlossen, dass die Partner des Atelier 5, mit dem 65. Altersjahr ihren Status als Partner verlieren, um den jüngeren Platz zu machen. 1986 werden Kurt Blum, Peter Breil, Heinz Müller, Giuseppe Genuise, Daniel Wittwer, Jost ­Hartmann und Christian Wiesmann als neue Partner ins Büro aufgenommen. Als «gestandene Kämpfer» werden sie umgehend in die Geschäftsleitung eingebaut.Das Büro verdichtet sich. Die vom eidgenössischen Raumplanungsgesetz von 1979 losgetretene Raumplanungswelle ebbt ab. Theoretische Planungsarbeiten werden immer häufiger an die Universitäten vergeben, stadtplanerische Aufgaben übernimmt oft die Bauverwaltung. Die Abteilung für Raumplanung des Atelier 5 wird kleiner. Ihre Zusammenarbeit mit der Architektur verstärkt sich. Im Atelier gibt es jetzt Partner-Tagungen, die den Versuch «Büromanagement» der frühen 70er Jahre ablösen. Sie dauern in der Regel zwei Tage, finden ausserhalb des Büros statt und werden zum Führungsinstrument. Es sind Orte des prospektiven Denkens und haben sachlich, aber auch kollegial grosse Bedeutung. Sie sind Anlass, den Zusammenhalt zwischen den Partnern, deren private Kontakte mit den Jahren abgenommen haben, zu stärken. Das Anliegen der Stärkung des Zusammenhalts im Büro kommt in der Rückkehr der Planungsabteilung ins Hauptgebäude der Ryff-Fabrik zum Ausdruck. Das Atelier 5 hat wieder einen einzigen Eingang.

 

1985–1994 Schwerpunkt Wohnen

A - Der grosse Massstab

In den 90er Jahren kommt es zur Rückkehr des Wohnungsbaus, zu Siedlungs- und Quartiersentwürfen in grossem Massstab und zu städtebaulichen Entwürfen im Stadtkontext. Das Arbeitsgebiet dehnt sich wiederum auf Deutschland aus, wo die wohnungs- und städtebauliche Kompetenz des Büros nachgefragt werden. Die Siedlung Ried, ihr Nachfolger, das Quartier Bodenacker in Bremgarten, die Bebauung Schlosspark Sinneringen, die Wohn- und Geschäftsüberbauung Fischergarten in Solothurn. Sie alle signalisieren einen neuen Beitrag zum Wohnungsbau in der Schweiz. Dazu kommen die erfolgreichen Wettbewerbe für das innerstädtische Quartier Obere Schüsspromenade in Biel, den Klingenberg in ­Heilbronn, und das Quartier Rotherbaum in ­Hamburg. Bezeichnend ist die Ausweitung der städtebaulichen Arbeiten, die des öfteren leider nicht zu Architekturaufträgen werden. Es geht hier etwa um das städtebauliche Gutachten für das Gaswerkareal in Biel, die Wettbewerbe für den Umbau und die Erweiterung des Bahnhofs Olten, die städtebauliche Neuordnung Berlin-Luisenstadt und schliesslich um den Entwurf für den Kronsberg in Hannover. Beim Bahnhof Bern wird eine erste Umgestaltung vorgeschlagen, die ein Jahrzehnt später realisiert werden wird. Ausserhalb des Wohnungsbaus sind das Geschäfts- und Gewerbehaus Hostettler in Zollikofen sowie die Erweiterung des Zentralbereiches der Psychiatrischen Klinik Münsingen wichtige Bauten.

B - Der aufrechte Gang

Man fühlt sich von einer reichen, differenzierten Moderne getragen. Zum 35-jährigem Bestehen des Büros erscheint eine a+u Sondernummer mit Würdigungen von: Friedrich Achleitner, Günter ­Behnisch, Norman Foster, Angelo Mangiarotti, ­Karljosef ­Schattner, Anton Schweighofer, Peter Smithson, etc. Die Liste der befreundeten Kollegen ist lang geworden. Postmoderne und Dekonstruktivismus sind keine Themen im Atelier 5. Der immer stärker heraustretende Persönlichkeitskult in der Architekturszene ist lediglich ein Ärgernis. In den Quadrat­büchern des Ammanverlags werden die Bände: «Für das Kunstwerk», «Architektur und Tageslicht», sowie «Das Seminar» publiziert. 1994 bringt das Atelier 5 im Corbusier-Girsbergerformat den Band «Siedlungen und städtebauliche Projekte» heraus. Es ist ein Kompendium des Wohnungsbaus seit Halen. Man weiss wo man steht, man kennt den eigenen Rhythmus und die eigenen Fähigkeiten. Man will arbeiten, lange Diskussionen erübrigen sich. Die ersten Zeichnungs-Rechner kommen ins Büro. Die Akzeptanz dieser Mittel ist nicht selbstverständlich. Die «alten Partner» tun sich zum Teil schwer damit. Gezwungenermassen ändern sich die Arbeitstechniken und damit auch der Arbeitsprozess.

C - Sommerzeit

Die zweite Hälfte der 80er Jahre sieht ein Atelier 5 mit 18 Partnern. Alle kennen sich schon lange und das gegenseitige Verständnis ist fast eine Selbstverständlichkeit. Innere Spannungen und Gegensätze bestehen durchaus, werden aber in der Familie ausgetragen. Die Arbeit wird zur Routine, was aber Erfindungen und neue Wege nicht ausschliesst. In den frühen 90er Jahren beginnt der lange Abschied. Hans Hostettler verlässt das Büro 1990. Rolf ­Hesterberg erreicht das «Pensionsalter» kurz danach. Er wird aber noch vier Jahre als freier ­Mitarbeiter im Büro tätig sein und so seine Aufträge seriös übergeben können. Alfredo Pini übernimmt eine Gastprofessur an der ETH und wird später Professor an der Accademia in Mendrisio. Jacques Blumer ist teilzeitig als Professor für Städtebau an der Universität Genf tätig. Die grossen Arbeiten werden nun von den Partnern der zweiten und dritten Generation verantwortet, die immer mehr in die geschäftliche Verantwortung eingebunden sind.

 

1994–2000 Städtebau und Grossbauten

A - Der Umbruch

Der Umbau, die Restaurierung und der partielle Neubau des Hauptsitzes der Credit Suisse in ­Zürich sind zusammen mit der Realisierung der Hypovereinsbank auf dem Plateau de Kirchberg in ­Luxemburg nun die wichtigsten Baustellen ausserhalb des Wohnungsbaus. Das Quartier Rotherbaum, hervorgegangen aus einem internationalen Wettbewerb, ist der wichtigste Wohnbeitrag. 2000 wird er durch den Erfolg im Wettbewerb für das Etexareal in Mainz in seiner Position abgelöst werden. Für den Ringelberg in Erfurt wird ein radikaler, kostengünstiger Bebauungsvorschlag gemacht, der mit einfachsten Mitteln dennoch die Atelier 5 Qualitäten des Siedlungsbaus ermöglichen soll – ein gewonnener Wettbewerb, der nie ausgeführt wurde. Aus dem erfolgreichen Wettbewerb für die Erneuerung des Empfangsgebäudes des Bahnhofs Bern wird ein weiterer wichtiger Atelier 5 Bau in Bern entstehen. Bedeutend sind die städtebaulichen Gutachten und Wettbewerbe zu denen das Büro immer wieder eingeladen wird. So das Gutachten für die Planung eines neuen Stadtteils in Berlin Buchholz Nord sowie das Entwicklungskonzept für die Weststadt in Darmstadt. Es folgen die Planungsstudien für das Viererfeld in Bern und der Beitrag zur Bauausstellung für verdichteten Wohnungsbau in Berlin Buchholz Ost. Daneben entstehen weiterhin nicht unwichtige, kleinere Realisierungen in unter­schiedlichen Bereichen.

B - Richtungssuche

Der Wandel des Auftraggebers, der immer öfters ein institutioneller Bauherr ist, ändert die Auftragsstruktur. Die Aufträge vergrössern sich, dabei wird der Ausführungsanteil kleiner. Die städtebaulichen Arbeiten, Gutachten, Studien und Wettbewerbe nehmen zu. Es ist eine weitgehende Spezialisierung im Produktionsprozess des Bauens zu beobachten. Für die «klassischen Architekten» bedeutet dies eine Verschiebung der architektonischen und planerischen Leistung zum konzeptuellen Entwurfsbereich hin. Gleichzeitig setzen sich die elektronischen Arbeitsinstrumente nun definitiv durch. Das Zeichnen mit dem Rechner erhöht das Arbeitstempo und verlangt eine fehlerfreie Beherrschung des Instruments. Das bringt eine, als solche im Atelier nicht gesuchte Spezialisierung mit sich, da nicht alle die unterschiedlichen Programme beherrschen und schon aus zeitlichen Gründen nicht beherrschen können. Es entstehen tendenziell Kompetenzbereiche, Bereiche der konzeptuellen Arbeit, Bereiche der Darstellung und Kommunikation sowie Bereiche der Ausführung.

C - Eine Neuausrichtung 

Die Zahl der Partner wird kleiner. Fritz Thormann beendet seine Arbeit 1996. 2000 verbleiben auch von der zweiten Partner-Generation nur noch die Jüngsten, Jacques Blumer und Pierluigi Lanini. Wieder ist die Zukunftsfrage gestellt. Es wird eine Juniorpartnerschaft eingeführt, die es erlaubt Partner einzeln und mit gegenseitigen Probezeiten aufzunehmen. 2000 werden Franco ­Petterino und ­Gianni Chini Partner, ­Gabriel Borter und Georg Precht folgen nach, damit ist die vierte Partner­generation im Atelier 5 ­angekommen. Soll das Büro in der herrschenden wirtschaftlichen Lage weiter bestehen, wird eine Anpassung der Bürostruktur aber auch der Art des Arbeitens unumgänglich. Verlassen wird das bis anhin gültige Lohnsystem. Anstellungen erfolgen nun auf Zeit, und die Löhne werden jährlich mit den Angestellten ausgehandelt. Geändert hat sich die Auftragsstruktur. Die Aufträge werden oft stufenweise ausgelöst, eine langfristige Arbeitsplanung ist damit schwerer zu sichern als bisher. Der Architekt erledigt nicht mehr den Gesamtauftrag. Generalunternehmer und Totalunternehmer sind keine Seltenheit. Verändert hat sich im Büro der Arbeitsbereich. Die klassischen raumplanerischen Arbeiten laufen aus. Die Planungsabteilung wird als selbständige Einheit aufgelöst. Die städtebaulichen Arbeiten spielen aber als potentielle Auslöser architektonischer Aufträge weiterhin eine wichtige Rolle. Es stellt sich somit das Problem, das notwendige Wissen im Bereich von Planung und Städtebau auch nach dem Verlassen der «alten Planungspartner» abzudecken.

 

2000–2005 DIE COMPUTERJAHRE

A - 50 Jahre Atelier 5

Das Atelier 5 hat seine Durchschlagskraft behalten. Die Aufgaben sind sogar bedeutender geworden. Das Wohnquartier Dreikönigshof in Mainz, das Justizzentrum in Potsdam, die Wohnüberbauung in Frankfurt-Riedberg setzen das Bauen in Deutschland fort. Der Umbau des Bahnhofs Bern, die Sanierung und der Umbau des Bahnhofs Biel und das Schul- und Verwaltungsgebäude Campus Muristalden sind die neuen Realisierungen in der Schweiz. Dazu kommt die in einer Architektengemeinschaft mit Marchisella und Wellmann Zürich sowie BRS Architekten Bern erarbeitete Neugestaltung des Bahnhofsplatzes in Bern. Eine Reihe wichtiger städtebaulicher Arbeiten hat leider zu keiner weiteren Arbeit geführt. Dazu gehören die erfolgreichen Wettbewerbe für Prag ­Libben und das Gutachten für Possemaré in ­Erkrath bei Düsseldorf. Eine Reihe begonnener Arbeiten ­wurde abgebrochen, so die Bebauung Sophienstras­se in Frankfurt und die Obere Schüsspromenade in Biel. Einige Wettbewerbe, deren Lösungen für das Atelier 5 selber bedeutend sind, hatten keinen Erfolg: der Wettbewerb urbanes Wohnen in Heidelberg, das Gutachterverfahren Mainz-Gonsenheim, der Wettbewerb Magdeburger Hafen in Hamburg, die städtebauliche Entwicklung Olten Südost und der Studienauftrag Bahnhof Zermatt. Dazu die in einer Arbeitsgemeinschaft erarbeitete international ausgeschriebene Studie Sihlpost Zürich, die in einer zweiten Stufe unter sechs Verbliebenen ausschied. Klärend wirkte die selbstverfasste Studie Wohnen im Alter, welche die Basis für den Wettbewerb Trix in Biel bildete.

B - Der Weg des Maultiers

Tendenziell werden die Aufträge grösser, das Atelier dabei kleiner. Weniger Leute bearbeiten gegenüber früher eine grössere Zahl von Aufgaben. Die Akquisition erfolgt fast ausschliesslich über Wettbewerbe. Die Bedeutung der deutschen Aufträge ist unverkennbar. In Mainz und am Rietberg in Frankfurt werden ganze städtische Kleinquartiere erstellt. Das Interesse am städtischen Raum, dem klar formulierten kollektiven Bereich, wird mit Nachdruck ­verfochten. Das Atelier 5 ist mit seinem Wohnungsbau definitiv in der Stadt angelangt. Unmerklich haben sich die konstruktiven Voraussetzungen beim Bauen verändert. Die neuen wärmetechnischen und ökologischen Anforderungen, wie auch die neuen Techniken und die steigende Spezialisierung beim Erstellen der Bauten, führen zu neuen architektonischen Formen. Die konstruktivistische Dekoration und die exzessive Betonung der gepflegten Oberfläche, die im aufkommenden Architekten – Starsystem die bereits alt wirkende Postmoderne abgelöst haben, sind für das Büro nicht von Interesse. Auf wenig Verständnis stösst die seltsamerweise als urban bezeichnete Auflösung des Stadtkörpers in mehr oder weniger grosse Klötze und Türme. Es scheint als ob ein Kreis sich schlösse. War Halen die Antithese zum amerikanischen Traum des Einzelhäuschens und der Grossbebauungen der 60er und 70er Jahre, so sind seit Ried, wie neuestens Mainz und Frankfurt, die aktuellen Wohnentwürfe des Büros die Antithese zur sogenannten Stadtvilla, ebenso wie zur Objektfixierung des gängigen Kartoffelstempel-Städtebaus. 

C - Neue Klänge

Mit der Jahrhundertwende haben sich die Arbeitstechnik, das Arbeitstempo und der Arbeitsumfang des «alten A5» definitiv geändert. Keiner der Gründer arbeitet mehr im Büro. Dieses ist voll neuer Gesichter. Es gibt nun mehr Praktikanten, auch die Hochschulabsolventen haben zugenommen und unübersehbar ist der Frauenanteil. Die Männerbastion ist gefallen. Die Rollen werden neu verteilt, die dialogische Arbeitsweise jedoch bleibt. 2005 fasst eine Ausstellung in der Kunsthalle Bern die Arbeit des Büros zusammen. Es ist eine Ausstellung des Atelier 5 und der Künstler, mit denen es über die Jahre zusammengearbeitet hat: ­Balthasar Burkhard, Roland Gfeller, Sylvie Defraoui, Michel Majerus, Meret Oppenheim, Markus Rätz, ­Niele Toroni, Felice Varini, Remy Zaug. Sie ist die Bühne für ein rauschendes Fest mit Partnern und Mitarbeitenden, mit den Bauherren, den Künstlern, den Kollegen, den Freunden, mit der gros­sen Familie Atelier 5. Der Anfang vor 50 Jahren ist Geschichte geworden. Geblieben ist das ­Atelier 5 als besonderer Ort der Zusammenarbeit und als beständige Haltung in einer effektverliebten­Architektenszene. Ein halbes Jahrhundert ist eine Schwelle. Es gibt keinen Grund zu zögern. Sie wird ohne Aufhebens überschritten.

 

2005–2015 DAS NEUE ATELIER 5

A - 10 Jahre jung

Die deutschen Aufträge bilden zunächst weiterhin den Schwerpunkt der Arbeiten des Büros. Das Justizzentrum in Potsdam wird fertig gebaut. Am Rietberg in Frankfurt am Main werden die nächsten Etappen in Angriff genommen. Der Wettbewerbserfolg für das «Kirchliche Zentrum am Rietberg» ergänzt diesen Auftrag. In Mainz-Gonsenheim wird eine neue Wohnbebauung realisiert. Folgeaufträge konsolidieren die Auftragsbasis in der Schweiz. Bei der Credit Suisse in Zürich, am Bahnhof Bern und am Bahnhof Biel sind weitere Arbeiten zu leisten. Auf dem Campus Muristalden wird die bestehende Primarschule durch einen Neubau ergänzt. Aus eigener Initiative entstehen das Stadthaus an der ­Balderstrasse in Bern und, im Auftrag der Afia, das Wohnhaus Schützengasse in Biel. In Zusammenarbeit mit Kollegen wird ein Geviert der Bebauung Schönberg Ost in Bern geplant, vom Atelier 5 wird dort ein Wohnbau erstellt. Städtebauliche Entwürfe werden in den Wettbewerben für die ­Hafencity in Hamburg, den Stadtraum HB Zürich, das ­Lindequartier in Wiesbaden und den Warmbächliweg in Bern entwickelt. Bauten werden in den Wettbewerben für das 600 Betten Spital in Zhengzhou in China, das neue Theater in Köln (3.Preis in dem hochrangigen internationalen Wettbewerb), die neue Synagoge in Potsdam und die Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft entworfen. Die Ausarbeitung des Regelwerks für die Bebauung auf der Erlenmatt Ost in Basel und die Realisierung eines Wohngebäudes im Rahmen dieses Regelwerks, beide Projekte im Auftrag der Stiftung Habitat, sind wichtige Teile der aktuellen Arbeit. Ebenso der 2014 fertiggestellte ­Businesspark von Swisscom in Ittigen bei Bern. Ende 2015 wird der Umbau des Büro- und Logistik-­Gebäudes des Schweizerischen Roten Kreuzes in Wabern fertig gestellt. Ab 2016 wird die Sanierung des Hauptsitzes folgen.

B - Konstant modern

Konstant modern heisst eine Ausstellung die Arno Ritter über die Arbeiten der Architekten Atelier 5, Johann Georg Gsteu, Gerhard Garstenauer, Rudolf Wäger und Werner Wirsing zusammengestellt hat. Diese wird in Österreich, in der Schweiz und in Deutschland gezeigt. Dazu wird ein reich bebildertes Buch herausgegeben, in dem die Architekten klare Positionen zu ihren Arbeiten einnehmen. Konstant Modern ist auch das Motto des Atelier 5. Das Prinzip des Ensembles, das Herausarbeiten des Entwurfs aus der sein Wesen bestimmenden Zelle, die «promenade architectural», das strukturelle Denken und der prototypische Versuch bleiben die gültigen Leitlinien. Nach Combi-Büro und Bürolandschaft entsteht mit dem Buisnesspark der Swisscom ein neuer Prototyp, ein offenes, immer anders besetztes und zusammengesetztes Arbeitsfeld, ein kommunikativer Rahmen für die Büroarbeit. Verbindungen und feste Orte – von Sitzungszimmern und Servicepunkten bis zur Cafeteria und Ruhebereichen – bilden das Gerüst und die Ordnungsstruktur innerhalb der sich die Arbeitsplätze immer wieder neu organisieren und ein immer wechselndes Arbeitsleben abläuft. Mit dem Regelwerk für den Bebauungsplan Erlenmat Ost ­Basel, das im Auftrag und in enger Zusammenarbeit mit der Stiftung Habitat erstellt wird, setzt das Atelier 5 seine planerischen und städtebaulichen Anstrengungen fort. Ein bewegliches und gleichzeitig präzises Regelwerk soll es möglich machen, innerhalb einer vorgegebenen Grossform eine differenzierte, massstäbliche Gebäudewelt zu schaffen. Unterschiedliche bauliche, aber auch soziale Anliegen sollen ebenso erfüllt werden können wie die Realisierung durch verschiedene Akteure. Die Suche nach dem Prototypischen und das sich aus der intensiven Auseinandersetzung mit der Aufgabe entwickelnde Entwerfen werden fortgesetzt.

C - Die Enkel

2007 verlassen mit Jacques Blumer, Pierre Lanini und Jost Hartmann die letzten der «alten Partner» das Atelier. Es gehört nun ganz den Enkeln. Die Büro­grösse ist konstant, die Wechsel sind bescheiden. Die Kanten sind weicher geworden, die Lust am Neuen ist geblieben. Florian Lünstedt ist Partner geworden, Georg Precht verfolgt an der ETH eine akademische Karriere. Kurt Blum verlässt als erster der 80er Partnergeneration 2014 das Büro. Ein Jahr später folgt ihm Heinz Müller. Im Herbst 2015 feiert das Atelier 5 wiederum einen runden Geburtstag. Es ist nun 60 Jahre alt und 10 Jahre jung geworden. Es ist ein Familien- und Freundestreffen. Die Atelier 5 Partner, die Mitarbeitenden und die Atelier­fünfer der letzten zehn Jahre, Familien und Lebens­partner treffen sich an einem warmen Herbst­abend in der alten EWB Zentrale an der Aare zum Essen, Trinken, Lachen und den «ewigen Geschichten von damals». In seinem 61.Jahr, nachdem Giuseppe Genuise das Büro verlassen hat, wird das Atelier 5 wieder fünf Partner haben. Die Schraube dreht sich die nächste Windung hoch, die Zukunft hat wieder begonnen.